… und wie dir das auch beim Tagebuchschreiben hilft
Bist du schon mal einem Kleinkind begegnet, das gerade in seiner Warum-Phase steckte? Wir gehen jetzt einkaufen. Warum? Oh, da ist gerade etwas heruntergefallen. Warum? Es regnet. Warum?
Je nach Dauer des Fragefeuers ist das entweder ein bisschen süß. Oder es treibt einen an den Rand des Wahnsinns.
Für Kleinkinder ist diese Phase ein wichtiger Entwicklungsschritt – ein Trost für genervte Eltern. Aber spätestens wenn wir im Erwachsenenalter angekommen sind, vergessen wir “Warum?” zu fragen. Und das ist in mehrfacher Hinsicht schade: Erstens sollten wir neugierig bleiben und uns viel mehr für den Grund der Dinge interessieren. Und zweitens kannst du mit dieser einfachen Frage – wenn du sie richtig stellst – zum Kern von fast allem vorstoßen. Damit wird sie auch für Journaler richtig interessant.
Darf ich vorstellen: Die „5 Why“-Methode
Was ist die 5 Why Methode und was kann sie?
Die 5 Why (oder noch kürzer 5W) kommt eigentlich aus dem Qualitätsmanagement. Das ist jetzt nicht die übliche Spielwiese für Tagebuchschreiber, aber es lohnt sich, für Inspiration auch mal über den Tellerrand zu blicken.
Die Grundidee ist einfach: Es gibt ein Problem und du befeuerst es 5 Mal nacheinander mit der Frage: “Warum?”
Ein praktisches Beispiel:
Problem: Meine Kaffeemaschine brüht keinen Kaffee mehr. Warum? Das heiße Wasser läuft nicht mehr durch. Warum? Die kleinen Öffnungen sind verstopft. Warum? Der Wasserbehälter ist voller Kalk. Warum? Wir haben verd* hartes Wasser.
Ignorieren wir kurz, dass das ein ungewöhnlich technisches Problem für diesen Blog ist. Siehst du, wie du durch diese Fragen zum Kern des Problems vorstößt (auch wenn der banal ist)? Statt mir also einfach eine neue Kaffeemaschine zu kaufen (die oberflächlige Lösung), weiß ich jetzt, dass ich mich um das kalkhaltige Wasser kümmern sollte, um nicht gleich wieder dasselbe Problem zu haben.
Wie und warum ist die 5 Why Methode fürs Journal interessant?
Wie hilft dir das nun beim Tagebuchschreiben? Dort wirst du ja voraussichtlich keine technischen Probleme erörtern.
Das Schöne ist, dass diese Methode auch ganz hervorragend in anderen Lebensbereichen funktioniert. Ganz besonders bei “schwammigen” Problemen fördert sie oft Erstaunliches zutage. Du fühlst dich gestresst, eine Begegnung hat dich runtergezogen, du bist irgendwie komisch drauf, dein Kopf sagt Ja – dein Bauchgefühl brüllt Nein? Das sind Situationen, in denen die „5 Why“ glänzen können.
Wieder ein Beispiel: Nehmen wir an, du fühlst dich gerade irgendwie unzufrieden und weißt nicht, was los ist. Dann könnte deine Warum-Suche so aussehen:
Ich fühle mich in letzter Zeit irgendwie unzufrieden. Warum ist das so? Ich habe das Gefühl, immer allem hinterherzurennen und nichts zu schaffen. Warum? Ich werde nicht mit dem fertig, was ich tun müsste und habe kaum Zeit für das, was ich gern tun würde. Warum? Es steht zu viel auf meiner To-do-Liste und ich nehme mir zu viel vor. Warum? Ich habe sehr konkrete Vorstellungen, wie mein Alltag aussehen sollte und was ich dafür schaffen muss. Warum? Ich vergleiche mich oft mit anderen und dem, was sie schaffen und tun und wie sie ihren Alltag gestalten.
Und schon landen wir bei einer sehr interessanten Spur, der man folgen kann. Muss sich die Beispielperson von ein paar Vorstellungen verabschieden oder Strategien überlegen, um sich weniger zu vergleichen (z.B. ein paar Apps vom Handy löschen)? Sollte sie sich die Erlaubnis geben, nicht perfekt sein zu müssen? All das könnte sie im nächsten Schritt überlegen und am besten auch in die Tat umsetzen.
Auf solche Spuren, bzw. auf die Dinge hinter den offensichtlichen Dingen können dich Warum-Fragen führen.
Wichtig: Erwarte nicht, dass du jede Warum-Antwort wie aus der Pistole geschossen findest. Du wirst manchmal ein bisschen schreiben und nachdenken müssen, um auf die Antworten zu stoßen, die im Beispiel so kurz und präzise wirken. Und dieselbe Frage kann zu unteschiedlichen Zeiten auch unterschiedliche Antworten hervorbringen.
Außerdem: Wenn dir 5 Warum-Fragen nicht reichen, dann frage weiter. Die Methode heißt zwar 5W – du kannst aber auch 6 oder 7 Ebenen tief fragen, wenn du noch nicht das Gefühl hast, beim eigentlichen Problem angekommen zu sein.
Von Problemfragen zu den Dingen, die dich beflügeln
Du musst mit den 5W aber nicht immer nur Probleme lösen. Du kannst sie genauso gut dafür verwenden, um das zu entdecken, was dich motiviert, begeistert und beflügelt.
Stell dir vor, du hast ein kleines oder ein großes Ziel – einen Traum oder einen Wunsch, den du Wirklichkeit werden lassen möchtest.
Wenn du mit der 5-Why-Methode in die Tiefe fragst und nachforschst, warum dir das wichtig ist bzw. warum du dein Ziel oder deinen Traum erreichen möchtest, dringst du zu deinen eigentlichen Bedürfnissen vor und zu dem, was dich antreibt oder motiviert.
Und wenn du das weißt, hilft dir das enorm:
- Wenn du deine Bedürfnisse und deine Motivation kennst, trägt dich das auch über lange Strecken und Flauten (und die kommen immer irgendwann, wenn du ein größeres Ziel ansteuerst). Du weißt, dass es das am Ende wert ist und warum du es machst.
- Vielleicht stellst du aber auch fest, dass dein Ziel nur eine Möglichkeit ist, um dem zu begegnen, was dich beflügelt. Vielleicht ist dieser eine Traum gar nicht so wichtig und es könnten auch andere sein. Gut für dich, dir eröffnen sich ganz neue Möglichkeiten – du weißt ja, zu welchen Bedürfnissen, Werten und zu welcher Motivation sie passen sollten.
- Vielleicht entdeckst du aber auch, dass die Motivation hinter deinem Ziel überhaupt nicht deine eigene ist. Du stellst fest, dass du nur deshalb für den Marathon trainieren willst, weil du jemanden beindrucken möchtest, den du überhaupt nicht leiden kannst? Dann könntest du dich an der Stelle fragen, ob dir das die Mühe wert ist. Wenn ja, gut, wenn nein, dann hast du jetzt wieder viele andere Optionen.
Die kleine Frage „Warum?“ sieht auf den ersten Blick harmlos aus. Aber sie gehört zu den wichtigsten Fragen, die du dir und anderen stellen kannst. Sie gibt sich nicht mit Oberflächlichkeiten und dekorierten Fassaden zufrieden, sie will zum Wesentlichen vordringen.
Das ist nicht immer einfach, manchmal sogar schmerzhaft. Und manchmal braucht es Zeit. Dafür gewinnst du ein tieferes Verständnis, triffst bessere Entscheidungen und gewinnst mehr Autorität in deinem eigenen Leben – weil du weißt, was unter der Oberfläche schlummert.
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