Wenn die Möglichkeiten beschränkt sind, hat die Kreativität mehr Platz zum Entfalten.

Eins der schwierigsten Dinge beim Schreiben (und eigentlich bei allen kreativen Prozessen) ist der Anfang. Wie wählt man aus unendlich vielen Möglichkeiten eine aus, mit der man sich beschäftigt? Worüber will man eigentlich schreiben und was will man sagen?
Leichter wird es, wenn man diese unendlich vielen Möglichkeiten schon im Vorfeld ordentlich zusammendampft und sich bewusst einschränkt: zum Beispiel auf Worte, die jemand anderes bereits geschrieben hat.

Ich darf vorstellen: die Cut-up-Technik.

Mit dieser „Schreib“-Technik habe ich in diesem Jahr immer mal wieder gespielt, und das Spielen kann man hier wörtlich nehmen. Der Begriff lässt es erahnen: Man zerschneidet Texte, die es bereits gibt und lässt daraus neue entstehen. Du musst also mit den Worten arbeiten, die du findest und trotzdem – oder vielleicht gerade deswegen – kommen oft kleine Gedichte dabei heraus, die ihren ganz eigenen Charme haben und auf ungewöhnliche Weise Stimmungen transportieren.  

Hast du Lust auf ein Experiment? Dann nimm dir ein bisschen Zeit und „schreibe“ dein eigenes Cut-up-Gedicht.

So funktioniert die Cut-up-Technik

Ausgangsmaterial ist entweder ein altes Buch (das du beherzt zerschneiden kannst) oder eine Zeitschrift. Puristen nutzen eine einzige Seite, ich bin da weniger streng und blättere durchaus hin und her.

Das Projekt: Schneide aus dem Buch oder der Zeitschrift Wörter aus und forme daraus ein kleines Gedicht.

Du kannst aus zwei Richtungen an die an die Sache herangehen.

Nr. 1: Du hast bereits ein Thema im Kopf. Das war bei meinen Beispielgedichten der Fall, es sollten Texte werden, die zum Advent passen.

Nr. 2: Du baust komplett auf den Zufall und lässt dich einfach von dem überraschen, was entsteht.

Nun schlägst du eine Seite auf (oder blätterst durch die Seiten) und suchst nach Worten oder Formulierungen, die deine Aufmerksamkeit wecken. Schneide alles aus, was dich spontan anspricht oder inspiriert: einzelne Wörter, Formulierungen, kleine Wortgruppen.

Sichte zwischendurch immer wieder dein Material.

Oft stoße ich auf eine Formulierung oder ein Wort, das zum Dreh- und Angelpunkt meines Gedichts wird. Es gibt die Richtung vor, in die sich mein eigener Text bewegt.

Lege alle ausgeschnittenen Schnipsel vor dich hin und fange an, sie aneinanderzufügen. Teste die unterschiedlichsten Kombinationen und spiele ein bisschen mit den Worten. Du wirst merken, dass du Kombinationen findest, die plötzlich passen und sich zu eigenen Bildern und Stimmungen zusammenfinden.
Wenn dein Text wächst und Form annimmt, siehst du auch immer klarer, welche Art von Wörtern dir noch fehlen. Vielleicht brauchst du noch ein Verb oder einen Artikel. Vielleicht suchst du auch einen Begriff, der noch einen zusätzlichen Aspekt hineinbringt. Ich gehe dann oft noch einmal gezielter auf die Suche im Ausgangsmaterial (übrigens kommt es häufig vor, dass ich ungefähr weiß, welches Wort ich suche, und dann doch ein ganz anderes Fundstück nutze).

Bist du mit deinem Gedicht zufrieden, dann klebe es auf.

Eines meiner Adventsgedichte

Dein Text muss weder besonders tiefgreifend sein, noch irgendwelchen Formen entsprechen. Du kannst absurde Gedichte legen oder Worte nutzen, die sonst nie in deinem aktiven Wortschatz auftauchen. Du kannst versuchen, deine momentane Stimmung einzufangen oder möglichst ungewöhnliche Beschreibungen suchen.

Nimm diese Schreib-Technik nicht zu ernst (ich habe gelesen, dass die Dadaisten sie gern genutzt haben, und die sind nun nicht unbedingt für übermäßige Ernsthaftigkeit bekannt). Genieße einfach das Spielen mit Worten.

Ideen für Cut-up-Gedichte

Diese Technik ist wie gemacht für kreative Tagebücher und Art Journals. Aber auch in „normale“ Tagebücher kannst du deine Texte kleben. Sie fangen immer ein Stück deiner momentanen Stimmung ein und werden im Rückblick zu einer netten Momentaufnahme.

Besonders gelungene Texte kannst du auch als Gruß verschicken und sie einem Brief beilegen oder eine Faltkarte damit gestalten (besondere Weihnachtsgrüße, Geburtstagspost …).

Fang deine eigene kleine Gedichtsammlung an und klebe die Cut-up-Gedichte auf Karteikarten oder festeren Karton, so kannst du sie immer wieder durchblättern.

Rahme dein Lieblingsgedicht und stelle es dir auf den Schreibtisch. 

Hast du schon Erfahrungen mit Cut-up-Texten gesammelt oder es jetzt zum ersten Mal ausprobiert? Schreib es in die Kommentare!


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  1. Das ist echt eine sehr süße Idee, die auch „Anfänger“ im Bereich der Gedichte ausprobieren können!
    Werde ich definitiv mal probieren!
    Frohe Weihnachten!

    1. Ich freue mich sehr, wenn die Idee Lust aufs Ausprobieren macht. Schreiben muss gar nicht immer kompliziert sein 😀
      Viel Spaß bei den Wortspielerein und ebenfalls eine frohe Weihnachtszeit!
      Anne

  2. Ich hatte so etwas vor Jahren schon mal gemacht und die ganzen Schnipsel in einer schönen Schachtel aufbewahrt. Beim Aufräumen und Ausmisten im letzten Jahr habe ich sie im Zuge eines Stressmomentes weggeworfen. Sehr ärgerlich aber nicht zu ändern. Nun habe ich aber wieder eine schöne Aufgabe für das neue Jahr. Manchmal muss man wohl erst etwas verlieren, um den Wert zu erkennen.

    Wünsche allen ein gutes, gesundes und kreatives Jahr 2022

    1. Genau das habe ich auch schon gemacht. Wörter ausgeschnitten, gesammelt und dann aus Versehen weggeworfen. Aber oft ist es tatsächlich einfacher, mit einer Idee im Hinterkopf auf die Suche nach neuen Wörtern zu gehen. Ich wünsche dir ganz viel Spaß mit diesem Projekt 🙂

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